Die Eisenbahnstrecke Annaberg-Buchholz - Schwarzenberg

Die Eisenbahnstrecke von Annaberg-Buchholz nach Schwarzenberg kann 2009 auf ihr 120jähriges Bestehen zurückblicken. Fast wäre es nicht dazu gekommen.

S' is Feierohmd - zur Einstellung des Schienenpersonennahverkehrs zwischen Annaberg-Buchholz Süd und Schwarzenberg

Am letzten Septemberwochenende 1997 fuhren zwischen Annaberg-Buchholz und Schwarzenberg die letzten Reisezüge. Nicht technische Gründe führten zur Verkehrseinstellung, sondern rein kommerzielle. Die sächsische Landesverkehrsgesellschaft mußte die erneute Aufnahme des Zugbetriebes zwischen Brand-Erbisdorf und Freiberg gegenfinanzieren. In Ermangelung von Finanzen blieb nur, den SPNV auf einer anderen Strecke einzustellen. Im Westerzgebirge stieß die LVG auf wenig Widerstand, verbindet doch die BSg-Linie, wie sie zu Zeiten der Königlich Sächsischen Staatseisenbahn" hieß, "nur" zwei benachbarte Landkreise und Flußtäler und hat kaum überregionale Bedeutung. Auf jeden Fall ist in Sachsen der Anfang vom Ende des Eisenbahnverkehrs in der Fläche eingeläutet.

Die Querverbindung
1858 hatte die Stadt Schwarzenberg einen Eisenbahnanschluß erhalten, 1866 die Bergstadt Annaberg. Der Raum zwischen beiden Städten blieb vorerst von Eisenbahnanbindung ausgeschlossen. Mehrfach wurden Petitionen zum Bau einer Eisenbahn zwischen Schwarzwassertal und Sehmatal eingereicht, angesichts einer Vielzahl von Vorschlägen konnte man sich jedoch nicht auf eine konkrete Trasse einigen.
Inzwischen war die Strecke Flöha - Annaberg 1872 über Buchholz bis nach Weipert verlängert worden.
1885/86 legte die sächsische Regierung dem Landtag folgende Trassenentwürfe vor:
a) Buchholz - Scheibenberg - Mittweida (Markersbach) - Schwarzenberg
b) Buchholz - Scheibenberg - Elterlein - Schwarzenberg
sowie weitere Varianten, die in Schönfeld beginnen sollten. Neben dem Personenverkehr sollte die Strecke auch den Güteraustausch ermöglichen, Steinkohle aus Zwickau auf dem kürzesten Wege ins Obererzgebirge bringen, wie in der Gegenrichtung preiswerte böhmische Braunkohle ins Schwarzwassertal.
Crottendorf sollte einen schmalspurigen Bahnanschluß an die neue Strecke erhalten.
Am 17. März 1886 beschloß die II. Kammer des Landtages die Ausführung der Variante a) nebst einer Schmalspurbahn von Grünstädtel nach Rittersgrün durch das Pöhlbachtal.
Größere Schwierigkeiten bei der Trassierung brachte der zwischen Markersbach-Mittweida und Scheibenberg zu überwindende Höhenunterschied von 140 m. Dies ließ sich in Markersbach nur durch eine künstliche Längenentwicklung mit dem Ausfahren des Mittweidatales erreichen, in der Folge wurde zur Überbrückung eines Seitentales eine 236,5 m lange und 36,5 m hohe Brücke notwendig - der Markersbacher Viadukt.
Nach Durchführung der Vorarbeiten erfolgte der erste Spatenstich am 17. April 1888 auf dem Gelände des späteren Bahnhofes Schlettau. Bereits im August 1887 begannen jedoch schon die Arbeiten zur Erstellung des Markersbacher Viaduktes. Er wurde als Gerüstpfeilerviadukt erstellt, wobei die Überbauten als Fischbauchträger ausgeführt wurden. Lieferung und Montage übernahm die "Königin-Marien-Hütte" in Cainsdorf bei Zwickau.
Der nächste Landtag in Dresden beschloß 1887/88, die Stichbahn nach Crottendorf nun doch normalspurig auszuführen, da sich die Mehrkosten in Grenzen hielten.
Die Bauarbeiten schritten planmäßig voran, auch wenn sie im Winter 1888/89 fast vollständig ruhten. Da die Schmalspurbahn zwischen Grünstädtel und Oberrittersgrün im Frühjahr 1889 bereits fertiggestellt war, entschloß sich die Staatsbahn, den ersten Abschnitt der BSg-Linie zwischen Schwarzenberg und Grünstädtel  am 1. Juli 1889 gemeinsam mit der Schmalspurstrecke zu eröffnen, um entsprechende Einnahmen zu erzielen.
An der BSg-Linie bereitete der Schwedenkieferneinschnitt zwischen Walthersdorf und der Ortslage Sehma einige Schwierigkeiten. Infolge Rutschungen des Einschnittes konnte hier erst im Herbst 1889 das Gleis verlegt werden, am 13. November erfolgte die Verlegung der letzten Schienen.

Eröffnung und Betrieb
Die behördliche Abnahmefahrt erfolgte am 21. November 1889, der Eröffnung der Strecke zum 1. Dezember 1889 stand nichts mehr im Wege. Gleichzeitig wurde die Strecke von Obercrottendof nach Schlettau in Betrieb genommen, da dieser als Endpunkt der Stichbahn ausgebaut worden war.
Elf Jahre später erhielt auch das Erzgebirgsstädtchen Elterlein seinen Eisenbahnanschluß durch eine Strecke von Zwönitz nach Scheibenberg. Die Züge liefen wie die Crottendorfer nach Schlettau durch, daß sich zu einem bedeutenden Unterwegsbahnhof mit umfangreichen Gleisanlagen und Lokschuppen entwickelte.
Die erhebliche Zunahme vor allem des Güterverkehrs erforderte um die Jahrhundertwende eine Erweiterung der Gleisanlagen. 1901/02 wurde der Bahnhof Schwarzenberg erheblich erweitert, er bekam u.a. ein neues zehnständiges Heizhaus. Zwischen 1905 und 1908 wurden die Bahnhöfe Buchholz und Annaberg umgebaut.
Mitte der zwanziger Jahre wurde schließlich der Bahnhof Schlettau erweitert, die große Stunde der BSg-Linie schlug jedoch in der Nachkriegszeit. In Elterlein befand sich Ende der 40er Jahre ein Quartier für Wismutarbeiter, die via Scheibenberg und Schwarzenberg zu ihren Schächten in Johanngeorgenstadt gelangten. Leerwagen rollten über das Zschopautal und Schlettau nach Schwarzenberg, um die eingleisige Strecke Zwickau - Schwarzenberg zu entlasten. Der Bahnhof Annaberg-Buchholz Süd erhielt eine Erzverladung. Mitte der 50er Jahre war diese (Hochzeit) jedoch schon wieder vorbei, der Eisenbahnverkehr fiel auf das Vorkriegsniveau zurück.
Der aufkommende Kraftverkehr sorgte ab Mitte der 60er Jahre für weiteren Verkehrsrückgang. Diesem fielen 1966 die noch vorhandene Stichstrecke von Scheibenberg nach Elterlein und 1972 die Schmalspurstrecke Grünstädtel - Oberrittersgrün zum Opfer.
Nach erfolgter Verdieselung 1976 lockten Anfang der 80er Jahre die Strecken im Westerzgebirge nochmals zahlreiche Eisenbahnfreunde an. Ab 1982 setzte das Bw Aue eine Lok der Baureihe 86 zwischen Schlettau und Crottendorf ein, später kam noch die Bespannung eines Containerzuges zwischen Annaberg-Buchholz Süd und Schwarzenberg mit einer Lok der BR 50 hinzu, nachdem in Buchholz 1983 ein Containerumschlagbahnhof eingerichet worden war. Ab 1988 regierte jedoch wieder der Dieselbetrieb.
1989 beging die Strecke ihr hundertjähriges Jubiläum mit zahlreichen Aktivitäten, Dampflokomotiven kehrten kurzzeitig auf die Strecke zurück, wenige Wochen später fiel die Mauer. Die nun einsetztende Individualmotorisierung verbunden mit dem Niedergang der verarbeitenden Industrie brachten weitere Verkehrsrückgänge. Der planmäßige durchgehende Güterverkehr wurde schließlich eingestellt, lediglich Grünstädtel erhält noch regelmäßig Fracht.

S'is Feierohmd
Die ungünstige Lage der Bahnhöfe vor allem im Landkreis Annaberg-Buchholz führte zu weiterem Fahrgastschwund, verkehrte doch parallel zur Eisenbahn noch die kommunale Buslinie, die eine bessere Erschließung der Orte ermöglichte.
Doch gerade in Nachwendezeiten investierte die Deutsche Bahn einiges in die Strecke. Der Oberbau wurde durchgearbeitet und ist größtenteils lückenlos verschweißt. Drei neue Bahnübergangs-Sicherungsanlagen wurden mit Millionenaufwand installiert. Im Gegensatz zu manch anderer sächsischer Nebenstrecke zeigt die BSg-Linie zum Schluß ein durchaus einen passablen Ausbauzustand. Durch die Konzeptionslosigkeit des sächsischen Verkehrsministerium hat die DB wohl aber einige Millionen in den Sand gesetzt. Denn erst im Frühjahr 1997 erklärte die zunächst interne Eisenbahnkonzeption des Freistaates die Strecke zum Abbestellungsfall für Mai 1998. Wegen finanziellen Problemen wurde dieser Termin inzwischen vorgezogen.
Bis Mitte Oktober 1997 verkehrten noch Schotterzüge zur Baustelle im Zschopautal, danach wurde für die Strecke vorerst Betriebsruhe eingeführt. DB Cargo benötigte sie noch bis Mai 1998 zum Transport der Schmalspurlokomotiven nach Cranzahl, mit der Privatisierung der Schmalspurbahn entfiel diese Notwendigkeit. Ein letztes Mal kehrte am Osterwochenende 1998 ein Reisezug auf die Strecke zurück, wegen des schlechten Streckenzustandes zwischen Markersbach und Grünstädtel - kurz zuvor waren noch schwerste Schotterzüge mit 2xBR219 über diese Gleise gerollt - durfte aber nur der Abschnitt von Annaberg-Buchholz bis Markersbach befahren werden.

Wie ist nun die derzeitige Situation?

Die gesamte Strecke wurde durch DB Netz Ende 1998 zur Abgabe an Dritte ausgeschrieben, die erste Vorsteufe zur Einleitung der Stillegung. Findet sich nähmlich kein neuer Streckenbetreiber, kann DB Netz die Infrastruktur ohne weitere Gründe stillegen, dann ist es mit einem Zugbetrieb endgültig vorbei.
Um dies zu verhindern, hat die Deutsche Regionalbahn, inzwischen als Deutsche Regionaleisenbahn firmierend, sich um die Übernahme der Strecke beworben. Die Verhandlungen mit DB Netz kamen längere Zeit nicht zum Abschluß. Im Rahmen der Sanierung der Zschopautalbahn von Flöha nach Weipert erwachte die Strecke über den Markersbacher Viadukt erneut zu neuem Leben. Ab 2002 benutzte die neue DB-Tochter "Erzgebirgsbahn" für logistische Verkehre, früher Bauzug genannt. Hierzu wurden die maroden Streckenabschnitte in Raschau und Markersbach erneuert.

Am 27. Juli 2003 war es soweit, nach fünfjähriger Betriebspause kehrten Reisezüge auf die Eisenbahnstrecke zwischen Annaberg-Buchholz und Schwarzenberg zurück. Im Rahmen der Fahrten zum 103. Deutschen Wandertag hatte die Erzgebirgsbahn die Sperrung der Strecke als Baugleis aufgehoben und damit die Durchführung der Dampfzugfahrten zwischen Schwarzenberg und Schlettau ermöglicht. Mehr als 450 Reisende drängten sich in den beiden Dampfzügen, die über den Markersbacher Viadukt verkehrten. Vorerst endete der Betrieb in Schlettau, weil der Bahnhof Annaberg-Buchholz Süd zur Zeit im Rahmen von Bauarbeiten nicht über die erforderliche Sicherungstechnik verfügt.
Am 13. September wird allerdings ein Sonderzug der BVO im Rahmen einer Erzgebirgsrundfahrt anläßlich des Sächsisch-Böhmischen Eisenbahnfestivals die Strecke befahren, am Tag darauf ein 642 der Erzgebirgsbahn und nochmals der Schwarzenberger Dampfzug.
Zur Zeit laufen an der Strecke verschiedene kleinere Instandsetzungsarbeiten, auch der Markersbacher Viadukt erhält endlich den schon lange erforderlichen neuen Korossionsschutz. Mittelfristig dürfte damit die Zukunft der Strecke gesichert sein und nach Inbetriebnahme der Stellwerkstechnik in Annaberg-Buchholz wird es auch wieder Erzgebirgsrundfahrten geben.

Nach dem Verkauf des Bahnhofes Walthersdorf an Claus Schlegel hat dieser im ehemaligen Empfangsgebäude ein privates Eisenbahnmuseum eingerichtet.

In diesem Zusammenhang wurde 2007 auch die Sicherungstechnik des Bahnhofes Schlettau verändert, das Einfahrtsignal aus Richtung Annaberg-Buchholz steht seither direkt vor dem Bahnübergang in Walthersdorf.

Ab 2009 wird es auch wieder regelmäßigen Personenverkehr auf der Strecke geben. Der Verein Sächsischer Eisenbahnfreunde e.V. bietet im Zusammenarbeit mit der Erzgebirgsbahn und den Anliegerkommunen Sonderzüge mit historischen Triebwagen auf der Strecke an. Vermarktet werden diese unter dem Namen "Erzgebirgische Aussichtsbahn". Steigen Sie ruhig mal ein!

Mit Volldampf in die Zukunft, am 27. Juli 2003 beendete 50 3616 die fünfjährige Dampfpause am Markersbacher Viadukt